Eine gnadenlose Schlacht zwischen gut und böse ...
... steht bevor. Und man muss sich für eine Seite entscheiden. Auch Wolff. Und obwohl er zynisch, brutal, rücksichtslos und verdorben ist, hat er doch eine höhere Mission. Er ist sogar der entscheidende Faktor im Kampf des Guten gegen das Böse. Doch er wäre nicht Wolff, wenn die Entscheidung zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis einfach für ihn wäre. Aber da ist ja noch diese Liebesgeschichte zwischen ihm und dem tödlichen Engel Ana - Bonnie und Clyde auf den Flügeln der Apokalypse.
„Fazit: Man kann sich die Lektüre ersparen. Und zwar die Lektüre von germanischen Mythen, König Artus' Tafelrunde, Erich von Däniken, was über die Inkas auf dem Markt ist, Marion Zimmer Bradley (Avalon), Jules Verne (Käpt`n Nemo und Co.) und Johannes-Apokalypse. Man liest einfach dieses Buch und kennt sie alle."
Westfalen-Blatt
„Wolff ist einer der coolsten Helden, den ein deutscher Autor je erfunden hat. Zudem trifft Axel Schnell einen Ton, der so heiß ist, dass die Seiten glühen. Der Mix aus schwarzem Krimi, Fantasy und Science-Fiction ist ein Feuerwerk an Ideen."
Bild am Sonntag
„Dieses Buch wandert gelassen zwischen Genie und Wahnsinn, ist pure Erzähllust, Unterhaltung und mehr."
Neue Presse, Hannover
Axel Schnell
Zum Autor:
Literaturwissenschaftler (Doktorarbeit über Brechts 'Baal'), über die das Brecht-Jahrbuch in einer durchweg positiven Besprechung urteilte: »Dieses kleine Buch liest sich wie eine große Archäologie des Bösen«. Er arbeitete zehn Jahre als Tageszeitungsredakteur und war unter anderem Leiter des Volkswagen (Konzern-)Pressebüros Hannover.
Seit etlichen Jahren lebt er als freier Autor auf einem Runenberg und schreibt Romane, in denen es immer irgendwie um 'das Böse' geht.
Als Ghostwriter schreibt er ganz andere
Texte wie Namensartikel und Reden für Vorstände von DAX-Unternehmen sowie führende Politiker. Außerdem verfasst er Firmenbücher unter anderem zur Industriegeschichte, Kommunikationsthemen und Markenslogans.
©Iris Klöpper Fotografie & Fotodesign, Hannover
Mitglied im SYNDIKAT – Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur
Mitglied im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK)
Autorenwebseite von Axel Schnell
Traumwelten: Wann hast du das Schreiben für dich entdeckt?
Axel: Schon sehr früh. Ich habe in der 2. Klasse kleinere Texte für ein Kinderbuch unter Bildern geschrieben, die ich vorher ausgesucht hatte. Das lag aber auch daran, dass ich so furchtbar schlecht gebastelt und gemalt habe, was sich übrigens nie ändern sollte. Da blieb dann nur das Schreiben, wenn ich kreativ sein wollte. Später habe ich dann daraus einen Beruf gemacht, war zehn Jahre lang Zeitungsredakteur und bin dann in die PR-Branche gewechselt. Das war die eine Welt, mit meinen Romanen habe ich mir dann noch eine andere erschlossen, die sich natürlich gegenseitig inspiriert haben. Die Grenzen sind da ja fließend. Ich habe eigentlich immer geschrieben, einfach weil ich das am besten konnte und mir niemand für meine Gemälde Geld gegeben hätte!
Traumwelten: Was inspiriert dich?
Axel: Was nicht? Man kann aus jedem Holz sein Feuer machen! Ob aufgeschnappte Dialoge oder schwarze Vogelschwärme auf dem Land – die Geschichten sind überall, man muss sie nur erkennen.
Sehr inspirierend finde ich etwa den alten Engesohder Friedhof in Hannover, der 1864 eröffnet wurde, mit seinen beeindruckenden Statuen und Mausoleen. Hier gibt es bekanntlich eine Gruft, die in Wirklichkeit eine Zeitmaschine ist. Von ihr aus geht es 300 Millionen Jahre zurück auf der Erde, mitten hinein in eine Invasion gottähnlicher, zutiefst bösartiger Außerirdischer. Das muss man wirklich mal gesehen haben!
Traumwelten: Welche Bücher liest du selbst ganz gerne und warum?
Axel: Ich mag die pointierte Sprache Bertolt Brechts, das ist (Ver-)Dichtung im besten Sinne. Aber ich schätze auch die skurrilen Ideen eines Douglas Adams sehr. Dann wären da noch Terry Pratchett und seine Scheibenwelt und die Thriller von Ross Thomas, die leider in Deutschland viel zu wenig bekannt sind. Der Mann war Journalist, in der PR-Branche unterwegs und an wirklich schmutzigen Wahlkämpfen in den USA beteiligt. Das merkt man seinen Romanen auch an, die auf eine sehr kultivierte und realistische Art unglaublich böse sind. Und dann lese ich auch vieles von Stephen King ganz gern. Kings »Stark. The Dark Half« gehört zu meinen Lieblingsbüchern. In dem Roman erwacht die Figur des psychopathischen Serienkillers zum Leben und will ihren Schöpfer töten. Und da sage mal einer, dass Literatur nichts mit dem richtigen Leben zu tun hat.
Traumwelten: Was machst du gerne in deiner Freizeit?
Axel: Auch, wenn ich nicht schreibe, zieht es mich als begeisterten Sporttaucher in die Abgründe. In deutschen Seen wird es beim Abtauchen schnell kalt und dunkel – auch im Sommer. Es bereitet mir sehr viel Vergnügen, immer tiefer in dieses gefühlte Reich des Todes hinabzusinken und dabei zu meditieren.
Irgendwo da draußen ist mein Feind. Ich werde ihn töten, wenn ich ihn finde. Denn ich bin ein Mörder. Der Mann soll langsam sterben. Natürlich könnte ich ihn schneller töten, aber ich genieße das, und auch die Guten haben ein wenig Spaß verdient.
Nein, nichts Ernstes, ich bin kein Psychopath. Ich morde einfach, um die Welt zu retten. Nicht, dass sie es wirklich verdient hätte, aber einer muss es ja tun. Und ich war gerade in der Nähe, als es losging, natürlich mit einer Blondine und viel Sex. Außerdem war ich wahrscheinlich betrunken.
Ich heiße Wolff. Mir gehört eine miese kleine Klitsche, die vielleicht nur meine Mutter freundlicherweise Detektivbüro nennen würde. Leider ist sie nach meiner Geburt abgehauen. Ich war runter, weit runter, als mich ein Auftrag in ein kleines Fischerstädtchen in der Bretagne führte. Eine eifersüchtige Ehefrau war völlig zu Recht der Meinung, dass ihren Mann bei seinen Tauchausflügen eher die Gesänge der Sirenen als das Rauschen der Tiefsee lockten. Tatsächlich erwischte ich ihn, die Hand an einem Arsch, der eindeutig nicht zu seiner Frau gehörte. Als ich ihm die Fotos zeigte, gönnte ich mir einen der raren Augenblicke zuzusehen, wenn Männer weinen. Natürlich lieben sie alle ihre Frauen, und natürlich überleben sie es nicht, wenn ihre Frau sie verlässt. Ich höre so etwas ganz gern.
In diesem Fall deckten sich die Angaben des Ehemanns mit meinen Informationen. Seine Frau verfügte von Haus aus über ein ansehnliches finanzielles Polster. Und er war das, was man als einen verhinderten Heiratsschwindler mit mäßigem Talent zum Hochstapler bezeichnen könnte. Ich ließ ihn eine Weile heulen, bis mich das schöne Gefühl der Rührung überkam. Ich beschloss, dem nachzugeben, schließlich bin ich ja auch ganz gern ein guter Mensch. Ich murmelte etwas wie ›Wir Männer müssen doch zusammenhalten gegen die Welt‹ (was natürlich ausschließlich die Frauen meinte), ›ein Freund, ein guter Freund usw.‹ Wir zwei von der Tankstelle lagen uns in den Armen.
Dann ging ich auch gleich zur Zapfsäule und bediente mich auf seine Kosten. Ich hatte ihn wirklich lieb gewonnen, besonders dann, als er mir – ein Mann, ein Wort – einen Briefumschlag mit einer beträchtlichen Summe überreichte. Mehr, als die geschäftstüchtige Ehefrau jemals gezahlt hätte. In einem solchen Augenblick entdeckt jeder sein Herz für die wahrhaft Liebenden.
Ich gab ihm die Negative. Man hatte mir schon öfter gesagt, dass meine Methoden der Fotografie hoffnungslos veraltet sind. Wird wohl stimmen, aber für mich war das die einzige Art, auf die es sich richtig anfühlte. Nachdem wir Brüderschaft getrunken hatten, ging in mein Hotel und packte meinen zweiten Film in einen Umschlag, den ich seiner Frau schickte. Dass ich ihr das zuschickte, war einfach eine Frage der Aufrichtigkeit. In meinem Gewerbe kommt man ohne Moral einfach nicht weiter. Anschließend gönnte ich mir noch ein paar Tage Urlaub, Geld hatte ich ja jetzt genug. Außerdem konnte ich mich darauf verlassen, dass sich der gerettete Ehemann und Freund weiterhin in meiner Schuld fühlte. So etwas ruft das Beste im Menschen hervor: Dankbarkeit. Ich nehme an, es war die pure Bestechung, als er mir auch noch einen Tauchgang spendierte.
Sie gehörte zu unserer Tauchgruppe. Eine auffällige Erscheinung auf einem miesen Boot in Richtung Kliff. Eine Horde von Idioten in blauschwarzer Pelle erging sich in feuchten Träumen von Hummern, Wracks und einer besseren Welt. Drei Flaschen Rotwein gaben mir das beruhigende Gefühl, jederzeit abtauchen zu können. Die Sonne schien, das Meer dümpelte in unerträglicher Langeweile und ich entkorkte die erste Flasche auf der Suche nach meinem Platz im Abendland.
»Gibst du mir einen Schluck ab?«
Darauf hatte ich schon lange gewartet. Langsam hob ich den Blick und fand heraus, warum seit mehr als fünftausend Jahren Götter, Barkeeper und Psychiater Vollbeschäftigung haben. Sie hatte aus ihren 1,75 Meter etwas gemeißelt, das die Männer mit einer Mischung aus Gier und Angst und ihre Frauen mit purer Mordlust erfüllte. Ihr schwarzer Tauchanzug lag eng an einem Körper, für den ich auch Troja plattgemacht hätte. Das lange blonde Haar schimmerte als Einladung zum Selbstmord in einer ekelhaft mild strahlenden Sonne.
Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Ich blätterte in meiner inneren Kartei in der Rubrik untergegangene Reiche, geplünderte Tempel, verwesende Leichen und fette Geier, kam aber nicht so recht weiter. ›Trink erst mal‹, riet der Praktiker in mir, dem ich viel Spaß, Kopfschmerzen und jede Menge Ärger verdanke. Ich beschloss, dass er recht hatte.
»Kann ich noch einen Schluck haben?«, bückte sie sich nach der Flasche und gab mir die Gelegenheit für einen großzügigen Blick auf die Hügel des trojanischen Finales. »Danke schön«, sagte sie artig und setzte sich. »Wie heißt du eigentlich?«
»Wolff«, antwortete ich. »Und wer bist du?«
»Ana«, sagte sie und schenkte mir ein Lächeln, für das auch gläubige Christen augenblicklich in Richtung Hölle umgebucht hätten. Ich erkannte den Geruch der Firma sofort. Eines wusste ich: Abzutauchen brauchte ich nicht mehr, ich hatte meine Nixe schon gefunden.
Ich schaute ihr tief in die meerblauen Augen. Es war eindeutig Liebe auf den ersten Blick. Ein schönes Gefühl, das seine höhere Weihe allerdings erst durch augenblicklichen Sex erhält. Sie schien das genauso zu sehen. Als die anderen über Bord gingen, um die Welt unter Wasser zu entdecken, gingen wir auf eine Entdeckungsreise, die auch viel mit dem Zauber der feuchten Tiefe zu tun hatte. Der Kapitän machte sich diskret im Bauch des Schiffes an der Maschine zu schaffen. Der Mann hatte ein Herz für die Liebenden und nahm dankbar den Geldschein, mit dem ich eine so großzügige Haltung belohnte.
Später gingen wir noch in ihr Hotelzimmer und holten nach, was uns auf dem Schiff noch gefehlt hatte. Stören konnten wir keinen, das Hotel war in der Vorsaison fast leer. Es war umwerfend mit ihr, und so sollte es auch bleiben.
Allerdings sah es noch nicht so aus als ich aufwachte. Das Licht des Vollmonds leuchtete hell durch das Fenster. Bestimmt romantisch, aber ich war verkatert, mies gelaunt und wieder ganz bei mir. Sie schlief noch und ich tat das Naheliegendste: Ich durchsuchte ihre Umhängetasche. Schließlich sollte man immer wissen, mit wem man es zu tun hat.
Das ist etwas, worauf man sich bei Frauen verlassen kann. Alles Wichtige transportieren sie in mehr oder minder geräumigen Taschen, als ob sie ständig auf der Flucht wären. Was ich bei ihr fand, ließ mich glauben, dass dieses Prachtexemplar entweder auf einer besonders gefährlichen Flucht oder auf der Jagd war. Der ins Auge springende Inhalt ihrer Tasche war so beunruhigend, wie es eine schwarze Neunmillimeterkanone mit Schalldämpfer nur sein kann. Das Problem ist, dass an diesen Waffen nicht in großen Buchstaben steht, ob sie den Bösen oder den Guten gehören. Vermutlich hätte das aber auch nicht viel geändert.
Dann hörte ich eine Decke rascheln. Im Spiegel beobachtete ich meine Schöne. Was ich dort im Mondlicht sah, ließ mich fast wieder glauben, dass ich ein ziemlicher Glückspilz war. Sie kam auf mich zu, leise Schritte von nackten Füßen auf dem alten Holzfußboden. Der Optimist in mir, der in so einem Fall gern Neunmillimeterwaffen ignoriert, wollte mir schon gratulieren. Aber so gut kannte ich den notorischen Bruder Leichtfuß schon, dass ich mich bestimmt jetzt nicht schlafen legte und ihn mit einer schwer bewaffneten Frau allein ließ. Schließlich teilen wir beide uns einen Körper. Und einer muss darauf achten, dass unsere breite Brust nicht plötzlich durchlöchert wird.
Als ich mich umdrehte, setzte sie sich nackt mit angezogenen Beinen auf einen Ledersessel. Ihr langes Haar fiel über die schwarze Lehne. Sie musterte mich neugierig.
»Guten Morgen«, sagte ich. »Ich habe schon von den Waffen einer Frau gehört. Aber findest du nicht, dass du das ein bisschen zu wörtlich nimmst?«
»Nein. Heutzutage kann eine Frau doch gar nicht vorsichtig genug sein. Besonders ...«
»Besonders?«
»Besonders, wenn zwei Killer hinter ihr her sind.«
Na klasse, das hatte mir noch gefehlt. Entweder hatte der blonde Engel, mit dem ich das Bett geteilt hatte, einen Knall, log oder hatte recht. Und das war mit Sicherheit das Schlimmste. Ich stehe nicht auf Bonnie und Clyde, ich will nicht mein Leben im Kugelhagel aushauchen, auch nicht an der Seite einer schönen Frau. Und wenn, dann ist das eine Party, die ich erst jenseits meines hundertsten Geburtstags feiern will. Ich stehe nicht auf Tod, das bringt eine Menge Ärger, besonders, wenn es der eigene ist.
»Ja, dann gehe ich wohl besser«, teilte ich meiner Schönen das Ergebnis meiner Überlegungen mit.
»Du würdest mich allein lassen?«
»Sieh mal, wir kennen uns doch kaum. Wir sind uns nichts schuldig.«
Was ich verschwieg, war die Tatsache, dass ich keine Lust hatte herauszufinden, ob sie eine schöne Lügnerin war oder bald eine schöne Leiche sein würde. Die Antwort gefiel ihr nicht. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
»Gib mir wenigstens meine Waffe wieder.«
Ich hatte noch weniger Lust herauszufinden, ob sie nicht eine Irre war, die gerne Männer nach Liebesnächten umbrachte.
»Ich gebe sie heute Nachmittag unten an der Rezeption für dich ab oder vielleicht auch erst morgen«, schlug ich vor.
Sie straffte sich wie ein Raubtier, das gleich springen will. Bevor sie es tun konnte, drehte sich langsam der Türgriff. Dann ging alles blitzschnell. Zwei Männer in schwarzen Lederjacken stürmten mit gezogenen Waffen in den Raum. Sie sahen meine Schöne und starben. Zwei Schüsse – die Kugeln trafen sie mitten in die Stirn. Die Männer machten einen Sprung rückwärts ins Jenseits.
»Gut«, sagte sie. »Du schießt sehr gut.«
Da hatte sie recht. Wenn ich auch finde, dass der Tod eine Menge Ärger einbringt. Das gilt auch für den von anderen, zumindest, wenn man sie gerade umgebracht hat. Allerdings sorge ich im Zweifelsfall lieber dafür, dass die anderen ins Gras beißen. Das hier war nicht gerade das, was ich mir unter einem kleinen Urlaubsflirt vorgestellt hatte.
»Wer bist du?«
»Ich bin Ana. Das habe ich dir doch schon gesagt.«
»Und wer sind die?«
Sie stand auf und ging zu den Leichen. Ihre Brüste schaukelten leicht, als sie sich über die Toten beugte. Ich sagte Adieu zu ihren Reizen und achtete darauf, dass sie nicht nach den Revolvern der Toten griff. Es ist immer schön zu wissen, dass es höhere Werte als Sex gibt. Und da sagen die Frauen immer, Männer hätten nur das Eine im Kopf.
Sie machte sich an den Leichen zu schaffen, stieß einen kleinen Triumphschrei aus, als sie fand, was sie suchte und gab mir wortlos eine kleine flache Scheibe mit einer Anstecknadel.
»Sieht aus wie ein Hakenkreuz.«
»Das ist eins«, sagte sie triumphierend.
»Was wollten die von dir?«
»Sie glauben, ich hätte etwas, das ihnen gehört.«
»Und hast du?«
»Nein, aber die sind verdammt hartnäckig, wenn sie so etwas glauben.«
»Gibt es noch mehr davon?«
»Eine ganze Menge.«
Verdammt, das roch so richtig nach Ärger. Es ist schon sehr belastend, überhaupt jemanden umzubringen. Aber diese bei-den Leichen konnten offenbar noch ganz andere Probleme bescheren als eine unerfreuliche Begegnung mit der örtlichen Gendarmerie.
Obwohl es schon schwierig genug zu erklären sein würde, warum zwei so lebendige Menschen mit zwei so auffällig toten in einem Zimmer waren. Zumal, wenn die Lebendigen auch noch eine Kanone mit Schalldämpfer hatten und schossen, als wären sie Buffalo Bill persönlich.
Ich schaute mir die Toten genauer an. Ihre Gesichter wirkten so erstaunt, als ob sie noch immer nicht richtig fassen konnten, wie plötzlich dieses Loch zwischen ihre Augen gekommen war. Sie hatten kurz geschorene Haare und waren wahrscheinlich schon kein besonders schöner Anblick gewesen, als sie noch am Leben waren.
»Ich ziehe mich jetzt an«, unterbrach der Engel im Zimmer meine Betrachtungen.
Meinetwegen. Sie verzog sich in eine Ecke des Zimmers. Ich sammelte die Knarren ein und durchsuchte die Leichen ziemlich grob. Irgendwie mochte ich die beiden nicht. Wortlos steckte ich das Bündel Geld und die zwei belgischen Pässe ein, die ich in den Jackentaschen fand. Einer der unbegabten Ex-Killer hatte ein Foto meiner Belle de Nuit bei sich. Der andere trug ein Bild von einem Mann bei sich, den ich nicht kannte. Er hatte aber auch ein Foto von einem Mann, den ich sehr gut kannte, nämlich von mir. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass hier alles ganz entschieden gegen mich lief. Ich sollte recht behalten.
»Du bist tot«, hörte ich eine Stimme hinter mir sagen, der es nicht an Überzeugungskraft fehlte. Ich spürte ziemlich viel kalten Stahl in meinem Rücken.
»Dummer Anfängerfehler«, sagte die Stimme aus meiner ganz persönlichen Unterwelt. Ich wusste nicht genau, wen er meinte und erfuhr es auch nie.
»Wo ist die blonde Nutte«, wollte er wenig einfühlsam wissen. Er konnte sie aus dem Winkel, in dem er stand, nicht sehen, und ich konnte nur hoffen, dass sie etwas auf dem Kasten hatte. Sie hatte. Ich sah eine schnelle Bewegung aus dem Augenwinkel.
Dann hörte ich ein unendlich kummervolles Röcheln hinter meinem nackten Rücken. Augenblicklich erwartete ich wieder das Beste für die Zukunft. Ich drehte mich um.
Ein Mann mit einem langen Ledermantel sank langsam in den Armen meiner Schönen zu Boden. Aus seiner durchschnittenen Kehle schoss das Blut. Meine Nixe trat gleichgültig beiseite und ließ ihn mit dem Rest seines Problems allein. Krachend landete er auf dem Boden und zuckte mit den Beinen. Dann war alles still.
Nachdenklich betrachtete ich, wie meine Schöne ihr Messer am Hemd des Toten abwischte.
»Sag nie Nutte zu einer Lady«, kicherte sie vergnügt.
Ich konnte nicht behaupten, dass diese Art von Heiterkeit sehr entspannend auf mich wirkte. Sie hatte sich eine schwarze Lederhose und ein schwarzes T-Shirt angezogen. Beides hob sich auffallend vom mittlerweile eher roten Grundton des Bodens und ihrer Arme ab. Sie ging ins Bad und wusch sich.
Ich hob die Schrotflinte mit dem abgesägten Lauf auf. Das hätte leicht ins Auge gehen können.
»Wir hauen erst einmal ab, sprechen können wir nachher«, schlug sie vor.
Grundsätzlich war ich damit einverstanden. Wer wusste schon, ob nicht noch mehr von diesen Gestalten draußen warteten, und nicht alle konnten solche Pechvögel sein. Ich zog die Jeans an, nahm das T-Shirt und mein legeres Freizeitjackett. Es war meine Lieblingsjacke, die ich immer dann anzog, wenn ich wunderbar entspannt einen draufmachen konnte. Das war wohl jetzt vorbei. Wir warfen noch ein paar Sachen und natürlich alle Waffen in eine Reisetasche. Dann gingen wir in den Flur.
»Willst du nicht noch Spuren verwischen, Leichen beseitigen oder so?«, wollte ich nur rein routinehalber wissen. Etwas in mir ahnte, dass das nicht ihre Art war.
»Wir sind doch nicht im Film«, freute sie sich. »Hier sind die Leichen das Problem dessen, der sie findet.«
Ich sah das zwar anders. Aber wir hätten wohl eine ganze Putzkolonne gebraucht, um wieder Ordnung zu schaffen.
»Ich bin sicher, du wirst mir das alles erklären«, gab ich einer ziemlich sinnlosen Hoffnung Ausdruck.
»Sicher«, versprach mein Engel. Ich glaubte ihr kein Wort.
Langsam gingen wir die Treppen hinunter, beide mit gezogenen Waffen. Aber in dem Hotel lebte keiner mehr, auf den wir noch schießen konnten. Hinter dem Tresen der Rezeption ragten zwei Beine hervor. Dahinter lag der alte Nachtportier. Sie hatten ihm die Kehle durchgeschnitten. Wir verließen das Haus und überließen es seinen vier stummen Bewohnern. Draußen auf der Straße war auch keiner mehr, den wir noch umbringen mussten. Mir war das ganz recht, mein Bedarf für heute war vollkommen gedeckt.
Dann tat meine Blauäugige etwas sehr Überraschendes. Sie setzte sich einfach auf die Hoteltreppe und wartete.
»Sag mal, wollten wir nicht verschwinden?«
»Wir werden abgeholt. Hab' ein bisschen Geduld.«
Dass uns jemand holen würde, konnte ich mir sehr gut vorstellen. Ich hoffte nur, dass der Kerl mit dem Huf nicht wirklich persönlich vorbeikam.
»Er kommt«, verkündete sie. »Wenn er da ist, überlass alles mir.«
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